Gibt es noch echte Film-Journalisten in Deutschland?

Vor etwas mehr als zwei Jahren stellte der von mir sehr geschätzte Alex Matzkeit vier Thesen zur deutschen Filmblogosphäre auf. Diese lauteten:

  1. Es gibt keine deutsche Film-Blogosphäre
  2. Den deutschen Netzfilmschreibern fehlen die deutschsprachigen Leitmedien
  3. Die guten Inhalte, die es gibt, werden nicht gefunden
  4. Die nervige Trennung zwischen E- und U-Kultur lebt im Netz fort

Am kommenden Dienstag habe ich die Möglichkeit, Marvels Avengers: Age of Ultron in der Pressevorführung zu sehen. Ein nettes Privileg für mich als hobbymäßigen Blogger. Und genau das ist der Knackpunkt. Es ist ein Hobby, dem ich eben dann nachgehe, wenn ich Lust und Zeit dazu habe. Doch eigentlich würde ich gerne hauptberuflich über Filme schreiben, reden und philosophieren. Aktuell studiere ich noch, doch was ist die erste Anlaufstelle, wenn ich mich bewerben wollte? Könnte ich mit einer Review zum neuen und heiß erwarteten Marvel-Film nicht eigentlich auch Geld verdienen?

Und sofort musste ich wieder an Alex‘ Beitrag von vor zwei Jahren denken. Es gibt kein wirkliches Leitmedium, keine Empire wie in England. Klar, es gibt ja auch in Deutschland Print-Magazine mit dem Themenschwerpunkt Film, doch weder erreiche diese mich, noch umgekehrt.
Als erstes fällt mir da die Cinema ein. Doch weder Online-Auftritt, noch die Followerzahl der Social Media-Auftritte überzeugt mich wirklich. Und wen gibt es dann noch?

Im Online-Bereich ist sicher moviepilot.de die größte Hausnummer, doch hier muss ich erneut auf Alex‘ Beitrag verweisen. Dort zitiert er Severin Auer von.animationsfilme.ch: „[Moviepilot.de] sind jedoch viel zu breit aufgestellt, inhaltlich verwässert und selten mit Charakterköpfen besetzt.“

Zwar mag sich dieser Zustand bis heute etwas gebessert haben, doch auch Moviepilot kann (und möchte?) die Rolle als Leitmedium nicht wirklich übernehmen.

Weiterhin kein gemeinsamer Nenner in Sicht

Mich beschäftigt weiterhin die Frage nach dem „Warum“? Fehlt in Deutschland das Interesse an Informationen und Diskussion über Kino? Gibt es deshalb kein Leitmedium, sondern einen Flickenteppich aus scheinbar hunderten semi-professionellen Portalen und Hobbybloggern?

Möchte niemand die Aufgabe übernehmen, Qualität herauszufiltern und zu bündeln?
Warum gibt es in Deutschland, neben Kino+ der Rocketbeans kein echtes Magazin, das sich wöchentlich mit Film auseinandersetzt? Weder im klassischen Fernsehen noch im Netz?

Fehlt hier ganz einfach das Interesse des Publikums und somit auch das Geld?
Auch hier kann man nur neidisch nach Amerika schauen, wo Channels wie Screenjunkies, Shmoesknow, Chris Stuckmans, Cinemasins, der Nostalgia Critic und Co. wöchentlich erfolgreich über aktuelle und ältere Filme debattieren, Witze machen und stets unterhalten. Von den glorreichen Siskel & Ebert-Zeiten ganz zu schweigen.

Natürlich haben all diese durch die englische Sprache ein vielfach größeres Zielpublikum, doch trotzdem könnte man von ihnen lernen und adaptieren. Denn auch hier muss ich wieder eine von Alex‘ Thesen hervorkramen. Es gibt dort kaum bzw. keine Unterscheidung in E und U.
Doch warum tun wir uns hierzulande so schwer damit? Warum können wir Popkultur nicht einfach mal ernst nehmen?

Und es gibt doch durchaus Themen, die uns hierzulande interessieren, die in Amerika aber gar nicht stattfinden. Anlässlich des neuesten Asterix-Films hat Alex kürzlich eine Übersicht über die lange Geschichte der Asterix-Filme verfasst. Ein schönes Beispiel für “europäische” Popkultur. Warum nicht mehr davon? Warum nicht die eigenen Themen behandeln? Waren die Asterix-Filme in unserer Kindheit nicht mindestens genauso wichtig wie die Ninja Turtles oder die Disney-Klassiker?

Fehlt es an Ideen, oder am Mut diese umzusetzen? Oder fehlt ganz einfach das nötige Geld?
Man darf dabei auch die oben genannten Charakterköpfe nicht vernachlässigen. Ich weiß mittlerweile, auf welche Art Filme Nick Mundy steht, weil ich seine Auftritte bei den Screenjunkies regelmäßig verfolgen kann. Dort gibt es neben den berühmten Honest Trailers nämlich auch Talkrunden wie die Movie Fights.

Köpfe gibt es auch bei uns. Philipp Jordan und Memo Jeftic vom Celluleute-Podcast sind solche.. Auch Daniel Schröckert und Etienne Gardé präsentieren wöchentlich ihre Meinung auf Rocketbeans.tv. Doch auch hier fehlt ein Gesamtpaket und es ist weiterhin kein Leitmedium in Sicht. Niemand will vorangehen. Alles wirkt wie Stückwerk und bleibt bist auf Ausnahmen höchstens semi-professionell.

Entweder fehlen die Charaktere, die Aktualität, Regelmäßigkeit oder eben die Tiefe. Nicht, dass dieses “perfekte Filmportal” im Ausland wirklich existiert, doch in Sachen Filmjournalismus sind uns unsere englischsprachigen Freunde doch einiges voraus.

Ich möchte den deutschen Filmbloggern und Kino-Podcastern nicht die Qualität absprechen. Ich glaube nicht, dass die Leidenschaft für das Kino kleiner ist als anderswo. Ich selbst verfolge zahlreiche bloggende und podcastende Cineasten, wie die bereits genannten Celluleute, die CineCouch, Second Unit und vor allem PewPewPew von Sascha Brittner.

Doch egal ob ernsthafter Diskurs oder spaßige Talkrunde, das alles wird in den USA ein Stückchen besser und professioneller gehandhabt. Und geht es hierzulande einmal genauso leidenschaftlich zu, dann kommt es eben nicht von hauptberuflichen Journalisten sondern eher aus der “Hobby-Ecke”.

Die Frage lautet für mich daher: Gibt es noch echte Film-Journalisten in Deutschland und wenn ja, wo finden diese statt?

Was ich mir wünsche: Eine professionelle, regelmäßige und leidenschaftliche Auseinandersetzung mit der Filmkultur. Sozusagen “von Filmnerds für Filmnerds”.

3 Gedanken zu „Gibt es noch echte Film-Journalisten in Deutschland?

  1. Felix

    Wozu? Jeder, der sich ernsthaft für Filme interessiert, kann Englisch. Folglich liest man ausländische Kritiken und hört englischsprachige Podcasts, die sich dank jahrzehntelanger Übung und Konkurrenzbewusstsein nahezu perfektioniert haben. Schau dir einfach mal “The Dissolve” an.

    Witzig, dass du Empire als Vorbild zitierst. Die haben zwar einen sympathischen Podcast, aber die Berichterstattung kommt selten über PR hinaus. Wenn schon britisches Magazin, dann eher Little White Lies oder Sight & Sound.

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    1. gollinho

      Die vielen deutschsprachigen Blogs und Podcasts sprechen ja dafür, dass es auch hier Interesse gibt. Natürlich kann jeder, der sich für Filme interessiert Englisch. Genauso könnte ich dann ja aber auch argumentieren, jeder der sich ernsthaft für Wirtschaft interessiert, spricht englisch. Trotzdem gibt es jede Menge deutschsprachige Veröffentlichungen zu dem Thema.

      Ich glaube gerade dieses elitäre Denken, genau wie die Trennung zischen E und U-Kultur tragen dazu bei, dass Deutschland eben kein richtiges Kinoland mehr ist.

      Auch an den deutschen Filmproduktionen sieht man ja, was hierzulande los ist. Natürlich gibt es auch positive Ausnahmen, die schaut aber dann eben niemand – egal ob im Kino oder im Fernsehen.

      Ich habe das Gefühl, dass es hier einfach keine Mitte gibt. Entweder interessiert man sich gar nicht für Film und beschränkt sich auf 1-2 Kinobesuche pro Jahr (wenn überhaupt), oder das Gegenteil ist der Fall.

      Vielleicht ist es aber auch so, dass das Kino durch mehr (deutschsprachige) Berichterstattung wieder ins Bewusstsein der Menschen gerät. Denn auch bei uns gibt es ja extrem erfolgreiche Filme, aber eben nur, wenn darüber viel berichtet wird. Und das findet leider ausschließlich im Boulevard statt. Deshalb sind eben 50 Shades of Grey und Fast & Furios 7 auch in Deutschland extrem erfolgreich, während andere Produktionen mangels Berichterstattung keine Beachtung finden.

      Und genau deshalb muss doch irgendwo ein Anfang gemacht werden.

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  2. Phil

    Heyho,

    Als Podcaster, der mit einem Filmwissenschaftler zusammen seit 8 Jahren einen wöchentlichen FIlmpodcast herausbringt, habe ich deine Auseinandersetzung natürlich sehr interessiert gelesen. :)

    Vieles, was du forderst, fehlt tatsächlich in der deutschen Medienwelt: Das genaue Mittelding zwischen Spaß am Film (und der damit verbundenen Lockerheit) und eben dann doch die notwendige Ernsthaftigkeit. Entweder ist ein Blog, ein Podcast sehr persönlich gehalten, leidet dann aber in der Inhaltstiefe. Oder du hast eine richtig tiefgehende Auseinandersetzung mit einem Film, was aber wiederum irgendwie nicht das Gelbe vom Ei ist.
    Kleine Leuchttürme gibt es ja dann doch, du hast da ja schon einige gute Beispiele geliefert.

    Solche Auseinandersetzungen sind aber auch sehr schwer. Ein Beispiel:
    Man kann so viel mit Film und Drumherum machen und bleibt dann doch immer wieder bei Kritiken hängen. Auseinandersetzungen, wie das von dir erwähnte Asterix-Special sind extrem cool, aber man kommt zu selten auf die Idee dazu. Denn egal, ob die Sichtweise auf Asterix, Clint Eastwood oder den Film Noir: Überhaupt mal Wissen oder Erfahrungen zu sammeln und in die Breite zu tragen, das macht es doch aus. Ob die Meinung dann die Perfekte ist oder nicht: Hey, egal – Geschmäcker sind verschieden.
    Doch je mehr man über ein Thema weiß, desto mehr Seitenfaktoren kommen hinzu, desto mehr stürzt einem ins Gedächtnis, wenn man nur ein Schlagwort hört. Somit werden die Beiträge aber immer länger, weil man will ja vollumfänglich auseinandersetzen – was den allgemeinen Konsumenten abschreckt. Hält man es kurz, ist man selbst mit dem Ergebnis unzufrieden, weil man gar nicht das gesamte Spektrum zeigen konnte.

    Wir von Nerdtalk.de haben den Vorteil, Lars als Filmstudenten und mich als “Konsumenten” zu haben: So entspinnen sich gute Auseinandersetzungen, weil ich eben den allgemeinen Kinogänger repräsentiere und Lars das Filmwissen mitbringt. Und wenn er zu nerdig wird, hole ich ihn schon wieder runter 😉
    Ob wir immer den richtigen Weg gehen? Man weiß es nicht, den Hörern gefällts. Doch auch wir sind schon öfters am Grat gescheitert….

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